Glanze-Brandtschule

Pressemitteilung vom 02.09.2013 – Berliner Morgenpost   Schüler der Heinz-Brandt-Schule haben in zwei Wochen die Alpen überquert. Diese Herausforderung hat den Neuntklässlern Erfahrungen für ihr Leben mitgegeben. Nun soll das Projekt zum Schulfach werden.   Es gab einen Tag, da wollte Conny aufgeben. Da wollte sie ihren schweren Rucksack einfach am Wegesrand liegen lassen und davonlaufen. Allerdings nicht weiter nach oben, in die Berge, sondern zurück ins Tal. Sie hatte keine Kraft mehr. „Mir war schlecht, ich war am Ende“, sagt sie. Conny ist 14 Jahre alt, hat braune Locken und eine sportliche Figur. Sie war noch nie in den Bergen, bevor sie sich Anfang August mit 13 Mitschülern und fünf Betreuern auf den Weg gemacht hat. Gemeinsam wollten sie die Alpen überqueren. Und: Sie haben es geschafft. Auch, weil Conny sich zusammengerissen hat an jenem Tag und mit den anderen weiter gelaufen ist – nach oben, zur Hütte. Conny ist Schülerin der Heinz-Brandt-Sekundarschule in Weißensee. Für die Teilnahme an der Alpenüberquerung hatte sie sich im Februar beworben, da war sie noch in der achten Klasse. „Wir mussten aufschreiben, warum wir dabei sein wollen“, sagt sie. Conny wollte ausprobieren, ob Bergsteigen wirklich anstrengend ist. Und sie wollte unbedingt erleben, wie es ist, wenn man oben auf einem Berg steht und nach unten schaut. Es sei anstrengender gewesen, als sie dachte, aber auch schöner, sagt sie.   Aus dem Projekt soll ein Unterrichtsfach werden „Herausforderung“ nennen sie das Alpen-Projekt an der Heinz-Brandt-Schule. Und wenn es nach Schulleiterin Miriam Pech geht, soll aus dem Projekt schon bald ein Unterrichtsfach werden. Neben der Alpenüberquerung seien weitere Angebote denkbar, ein Segeltörn etwa oder zwei Wochen Arbeit auf dem Bauernhof. „Wir konzipieren das neue Fach für Schüler der achten und neunten Klassen. Die sind mitten in der Pubertät, nörgeln, meckern, motzen und haben keine Lust auf Schule.“ In den Herausforderungswochen sollen sich die Schüler bewähren, ihre Grenzen erfahren, Leistungen erbringen, auf die sie stolz sein können. „Besonders für Kinder, die in der Schule nicht so gut sind, ist das wichtig“, sagt die Schulleiterin. „Wenn sie erleben, dass es Dinge gibt, die sie richtig gut können, stärke das ihr Selbstbewusstsein.“ Zwei Wochen lang sind die Schüler gewandert, vom 4. bis zum 18. August. Zu Fuß sind sie von Oberbayern bis nach Italien gelaufen, genauer gesagt, vom Königssee bis zum Antholzer See. Insgesamt sind sie 66 Stunden gewandert. Die längste Etappe war etwa 22 Kilometer lang. Der steilste Anstieg, den die Schüler überwinden mussten, lag bei 1600 Höhenmetern.   Eigenständig versorgen und Unterkünfte organisieren Doch es ging nicht nur darum, körperliche Anstrengungen zu packen. Vor Ort mussten die Jugendlichen sich eigenständig versorgen und auch die jeweiligen Unterkünfte selbst organisieren. Zu den Bergwanderern gehörte auch Benny. „Die Tour war härter, als ich mir das vorgestellt habe“, sagt er. Benny ist 15 Jahre alt, groß und schlaksig. Er ist jetzt in der neunten Klasse und will später Abitur machen. Wie es danach weitergehen soll, weiß er noch nicht. Für die Alpenüberquerung hatte er sich beworben, weil er auf ein Abenteuer aus war. Jetzt schwärmt er davon, was für ein tolles Team sie waren. „Ich habe meine Mitschüler, aber auch die Erwachsenen viel besser kennen gelernt“, sagt er. Die Wanderer haben Tagebuch geführt, auch Fotos gemacht und gezeichnet. Bei Benny steht unter dem Datum von 10. August: „Gestern Abend hat Herr Wiesner gesagt, wir sollen fünf Minuten überlegen, dann fragte er uns, ‚Was machst du in einer schwierigen Situation am Berg und was nimmst du davon mit in dein Leben?‘ Meine Antwort ist: egal, was kommt, beiß auf die Zähne und gib niemals auf, denn egal, was passiert, du wirst dein Ziel immer erreichen.“   Vorbild ist die Winterhuder Stadtteilschule in Hamburg Benny ist stolz darauf, dass er es tatsächlich bis zum Ziel geschafft hat. Und das, obwohl er in der zweiten Woche drei Tage krank war und sogar Fieber hatte. Er ist in diesen Tagen öfter mal mit dem Bus gefahren, um die anderen einzuholen. Aufgegeben hat er nicht. Conny erzählt, dass sie sich manchmal in der Gruppe nicht wohlgefühlt hat. Ein Junge habe sie immer wieder provoziert. Doch auch Conny hat durchgehalten. „Ich fühle mich jetzt stärker“, sagt sie. „Ich habe gemerkt, dass es besser ist, nicht gleich aufzugeben.“ Vorbild für das Alpen-Projekt der Heinz-Brandt-Schule ist die Winterhuder Stadtteilschule in Hamburg. Dort starteten die Herausforderungswochen bereits im Schuljahr 2006/07. Der Erfolg des Projekts war so groß, dass es schon bald zum festen Bestandteil der Schuljahresplanung wurde. Miriam Pech, die die Winterhuder Schule öfter besucht hat, war beeindruckt von diesem Projekt. Schnell stand für sie fest, dass sie es an ihrer Schule auch anbieten will. „Mir war allerdings klar, dass dafür zusätzliches Personal gebraucht wird“, sagt sie.   Zwei junge Akademiker kümmerten sich um das Projekt An der Heinz-Brandt-Schule haben sich schließlich zwei junge Akademiker – beide sind als Fellows von Teach First an der Schule aktiv – um das neue Angebot gekümmert: Julia Stratmann und Johannes Wießner. Teach First vermittelt Hochschulabsolventen für zwei Jahre an Schulen, wo sie soziale Erfahrungen sammeln können, bevor sie in ihr Berufsleben starten. Stratmann und Wießner haben die Tour geplant, die Schüler ausgewählt, gemeinsam mit ihnen Geld für die Unternehmung eingesammelt und das nötige Material wie Rucksäcke, Wanderschuhe und Kochgeschirr angeschafft. Auch Wetterkunde und Kartenlesen haben sie mit den Teilnehmern geübt, Probewanderungen und Fitnessübungen mit ihnen gemacht. Unterstützt wurden sie dabei von Jörn Langer, der an der Heinz-Brandt-Schule Sport und Spanisch unterrichtet. Langer war Teamchef der Gruppe. „Ich habe großen Respekt vor der Leistung der Schüler“, sagt Julia Stratmann. Die Berge mit spartanischer Verpflegung zu überqueren, habe den Schülern körperlich vieles abverlangt und sie aus ihrer persönlichen Komfortzone herausgezwungen. Die Jugendlichen hätten es geschafft, alles selbst zu organisieren. Sie seien zu einem starken Team zusammengewachsen.   Ausstellung der Fotos und Vorlesen aus Tagebüchern Auch Johannes Wießner ist begeistert: „Meine Erwartungen wurden übertroffen. Sie haben Schmerzen und Erschöpfung ertragen und sich auch den sozialen Herausforderungen gestellt“, sagt er. Damit auch die anderen Schüler der Heinz-Brandt-Schule von den Erfahrungen der Bergwanderer profitieren können, werden die jetzt in der Schule ihre Fotos ausstellen und aus ihren Tagebüchern vorlesen. Conny und Benny freuen sich darauf. „Dann können wir uns noch einmal an alles erinnern“, sagt Conny. Und Benny sagt, dass er wieder dabei wäre, wenn es noch einmal in die Berge ginge.