Pressemitteilung vom 30.08.2013 – Neues Deutschland von Malene Gürgen Foto: nd/Jirka Grahl Einmal Alpen und zurück: Die Acht- und Neuntklässler bei ihrer Ankunft am Berliner Hauptbahnhof
Im Fach »Herausforderung« überqueren Berliner Schüler die Alpen und ihre eigenen Grenzen
Die Lehrer bedanken sich mit Applaus bei ihren Schülern. Die Eltern bei den Lehrern. Die Schüler bei den Eltern. Und dann noch mal die Lehrer bei den Schülern – die Freude darüber, etwas Besonderes geschafft zu haben, ist offenbar groß. Grund genug gibt es: Zwei Wochen lang waren 14 Schüler und drei begleitende Lehrer der Heinz Brandt Schule gemeinsam in den Alpen unterwegs. Von Berchtesgaden bis ins italienische Brunico wanderten sie über steinige Pisten und Schneefelder, bis zu neun Stunden und 1600 Höhenmeter an einem Tag. Übernachtet wurde in Hütten, gekocht auf dem Campingkocher und gelernt eine ganze Menge. Denn die Wanderung war keine Klassenfahrt: »Die Alpenüberquerung ist ein Pilotprojekt im Rahmen des neuen Schulfachs Herausforderung«, erklärt Johannes Wießner, der als Lehrer mit dabei war. Bei diesem Fach gehe es darum, das Lernen vom Klassenzimmer an einen anderen Ort zu verlegen, die Schüler aus ihrer »Komfortzone« herauszureißen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Grenzen wie auch ihre Fähigkeiten besser kennen zu lernen. »Gerade in der Pubertät trauen sich Schüler oft wenig zu – bei diesem Projekt können sie entdecken, was alles in ihnen steckt«, sagt Wießner. Vorbilder für das neue Schulfach waren Schulen in Moabit, Mitte und Hamburg, die ähnliche Projekte durchführten. Das Projekt umfasst dabei weit mehr als die eigentliche Wanderung. Zuerst stand das Problem der Finanzierung: »An unserer Schule können die meisten Familien nicht mal ebenso das Geld für ein solches Projekt aufbringen«, sagt Wiesner. Also war schnell klar: Der Elternbeitrag wird auf 150 Euro begrenzt, den Rest müssen die Schüler selbst einbringen. Das Gewinnen von Sponsoren und Sammeln von Spenden gehörte also mit zum Projekt. Die Schüler verkauften Kuchen und organisierten Flohmärkte, Outdoor-Ausstatter wurden als Sponsoren gewonnen. Auf der Wanderung selbst waren die Schüler auch für die Verpflegung zuständig. In Kleingruppen mussten sie mit festgelegtem Budget einkaufen und für alle kochen. »Am Anfang haben wir noch viel falsch gemacht, zum Beispiel schwere Konservendosen gekauft oder zu viele Süßigkeiten«, sagt Schülern Tina Seime. »Aber dann haben wir rausgefunden, was die richtigen Mengen sind und welche Sachen gut zum Mitschleppen sind«, ergänzt ihr Mitschüler Benjamin Baucke. Wenn die beiden von der Wanderung erzählen, leuchten ihre Augen – auch wenn die Tage ganz schön strapaziös waren: »Ich hätte nie gedacht, dass es so anstrengend wird«, sagt Schüler Ruben Kohn. Gerade am Anfang seien viele an ihre Grenzen gekommen. »Aber ich wusste ja, dass meine Eltern mich nicht abholen können, höchstens mit dem Hubschrauber«, sagt Ruben. Also lief er weiter – und wurde belohnt: »Wenn man dann von oben die Aussicht sieht, ist man nur noch froh«, sagt er. Außerdem sei die Gruppe zusammengewachsen. Die Schüler trugen sich gegenseitig die Rucksäcke, wenn jemand nicht mehr konnte, die Schnelleren motivierten die Langsameren. »Wir haben an unserer Schule viele sogenannte schwierige Schüler«, sagt Wießner. »Deshalb geht es uns bei dem Projekt vor allem darum, die Stärken der Schüler herauszuholen, damit sie selbst merken, was sie alles können.« Wießner und seine Kollegin Julia Stratmann, ebenfalls im Team der Wanderung, sind Teilnehmer des Projekts »Teach First«, das junge Menschen für zwei Jahre als Lehrer an Schulen in sozialen Brennpunkten schickt. An der Heinz-Brandt-Schule, die auch schon den deutschen Schulpreis gewann, waren die beiden mit ihren Ideen offensichtlich an der richtigen Stelle. Jetzt soll das Fach Herausforderung fester Bestandteil des Unterrichts werden.