Schon früh am Morgen schallt es durch die Lautsprecher der Heinz-Brandt-Schule. Ludwig, Klassensprecher der 8.4 informiert seine Mitschüler*innen, dass Besuch ins Haus steht. Stefan Brandt, Sohn des Schulnamensgebers Heinz Brandt wird sich am frühen Nachmittag mit interessierten Schüler*innen auf ein Gespräch in der Schulbibliothek treffen. Anlass hierfür ist der schulinterne Heinz-Brandt-Tag, welcher jährlich am Todestag von Heinz Brandt abgehalten und das Andenken an den streitbaren Vordenker lebendig halten soll.

Als Stefan Brandt kurz nach halb drei in der Bibliothek im Erdgeschoss der Schule begrüßt wird, ist der Andrang groß. Aus allen Jahrgängen drängeln sich interessierte Schüler*innen, um noch einen Platz am runden Tisch zu bekommen. Schnell ist der Raum gefüllt, wird hier noch ein Rucksack verstaut, da der letzte Biss vom Pausenbrot genommen. Nach ein paar Minuten sind alle zur Ruhe gekommen und die Veranstaltung kann von der organisierenden Lehrerin Frau Hartwig offiziell eröffnet werden.

Über eineinhalb Stunden haben die Schüler*innen die Möglichkeit, Stefan Brandts ganz persönlichen Geschichten über und mit seinem Vater zuzuhören und Fragen zu stellen. Dabei genießt es der ehemalige Kinder- und Jugendpsychologe sichtlich, von so vielen interessierten jungen Menschen umgeben zu sein. Ausführlich berichtet er von den wechselvollen Lebensstationen seines Vaters, von dessen Widerstand gegen und die Internierung durch die Nationalsozialisten in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Auschwitz und Buchenwald, von der Rückkehr nach Berlin, seinem politischen Engagement in der jungen DDR, seinem Bruch mit dem System, der Flucht in den Westen in den späten fünfziger Jahren und dem dortigen Engagement als Redakteur und politischer Aktivist.

Gebannt hören die Schüler*innen die Geschichte, wie Heinz Brandt 1961 von der Stasi nach West-Berlin gelockt wird, dort in einem Hinterhalt betäubt, nach Ost-Berlin verschleppt und schließlich unter anderem wegen staatsgefährdender Propaganda zu 13 Jahren Zuchthaus verurteilt wird, bevor er nach ein paar Jahren und unter Mithilfe von Amnesty International in den Westen entlassen wird. Die Schüler*innen haken nach, wollen es genauer wissen. „Wie hat man sich da als Kind gefühlt, wenn der Vater plötzlich weg ist“ ist eine der Fragen, die unter den Nägeln brennt. Bevor Stefan Brandt antwortet, hält er kurz inne, sein Blick wird ernst: „Wenn der Vater plötzlich weg ist, wird man schlagartig erwachsen.“ Die Schüler*innen fühlen, wie schwer es gewesen sein muss – es wird ruhig im Raum. Stefan Brandt hat aber auch heitere Geschichten im Gepäck, erzählt von Heinz Brandt als liebevollem Vater und wunderschönen, gemeinsamen Wochenenden die er und seine Geschwister mit ihm verbracht haben.

Zum Schluss sind viele interessante Anekdoten erzählt und viele neugierige Fragen beantwortet. Auch die stellvertretende Schulleiterin Frau Harney ist fasziniert: „Selten habe ich unsere Schüler*innen bei einem Vortrag so interessiert erlebt“ lautet ihr Fazit. Dabei hat Stefan Brandt die Schüler*innen nicht nur mit Geschichten über seinen Vater begeistert, sondern ihnen Heinz Brandt auch als einen Menschen mit Stärken und Schwächen nähergebracht, der in seinen Idealen auch den Widerspruch nicht gescheut hat und immer bereit war für seine Überzeugung einzustehen. Charaktereigenschaften, die auch über dreißig Jahre nach dem Tod Heinz Brandts nichts an Aktualität verloren haben. Umso größer ist die Freude, als sich Stefan Brandt am Ende des Nachmittags bereit erklärt der Schule, die den Namen seines Vaters trägt, auch zukünftig als Zeitzeuge zur Verfügung zu stehen.