Berliner Morgenpost 01.03.2016

Konkurrenz für die Caterer: Laura,14, und Rene, 15, von der Schülerfirma „Just Eat“ verkaufen an ihrer Weißenseer Schule mittags belegte Brötchen

 

 

Damit mehr Oberschüler mittags essen, soll es künftig auch Snacks geben. Die Caterer aber haben Zweifel an den Vorschlägen des Senats.

 

Auf der einen Seite gibt es Seelachs oder Tortellini. Auf der anderen belegte Brötchen. Was an der Heinz-Brandt-Schule in Weißensee schon funktioniert, soll künftig an Oberschulen die Regel sein: Die Schüler können mittags zwischen einem klassischen warmen Essen und einem Snack zum Mitnehmen wählen. Die Senatsbildungsverwaltung hat die Musterausschreibung für das Mittagessen an weiterführenden Schulen vorgelegt.

 

An der Heinz-Brandt-Schule haben die Schüler schon seit 2011 die Wahl: Die vor fünf Jahren gegründete Schülerfirma „Just Eat“ übernimmt das Snack-Angebot an der Sekundarschule. 20 Schüler der 8. und 9. Klassen backen morgens vor dem Unterricht Brötchen auf, belegen sie in der Pause vor dem Mittagessen mit Käse, Wurst oder Tomate und Mozzarella. Manchmal bereiten sie auch „Specials“ vor – Bulgursalat, Fladenpizza oder Hotdogs.

 

Zwei Schalter in der Mensa

Was es gibt, entscheiden sie alle gemeinsam, auch den Einkauf erledigen sie selbst. Lehrer Constantin Klitsch, der die Schülerfirma betreut, greift nur ein, wenn es nötig wird. Und er ist dabei, wenn mittags um 11.30 Uhr in der Mensa zwei Schalter öffnen: Rechts bietet der Caterer Nobis zwei Mittagsmenüs an. Links verkaufen die Schüler ihre Brötchen. Die Schlangen links und rechts sind gleich lang.

 

Die 14-jährige Zeino steht für ein Brötchen und eine Schokomilch an. „Ich bin zwar auch zum Mittagessen angemeldet“, sagt sie. Aber sie und ihre Freundinnen haben eben nicht immer Lust, warm zu essen. Ein Brötchen geht schnell. „Mehr braucht man auch gar nicht“, findet Pascal, 15, der seit einem Jahr bei der Schülerfirma „Just Eat“ mitmacht. „Ein warmes Essen gibt es ja abends.“

 

Wraps, Smoothies, Crêpes

Wer zu Hause kein warmes Abendessen bekommt oder zwei Mal am Tag warm essen will, soll auch weiterhin in der Schule Fleisch, Fisch und vegetarische Hauptgerichte essen können. Gerade bei den älteren Schülern aber stößt dieses Angebot auf immer weniger Interesse. Der Landesschüler-Ausschuss hatte deshalb vorgeschlagen, an allen weiterführenden Schulen ein „Take away“-Angebot einzuführen. Wraps, Smoothies oder Crêpes sollen wieder mehr Jugendliche in die Mensa oder Cafeteria locken.

 

„Das ist der richtige Weg“, findet Doris Fortwengel, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Oberschulessen im Landeselternausschuss Berlin. Ein solches Angebot treffe „den Geschmack der älteren Schüler“. Auch beim klassischen Mittagessen müsse es mehr „free flow“ geben, wie sie es nennt: Statt ein Stück Fleisch, eine festgelegte Zahl Kartoffeln und eine abgemessene Menge Gemüse auf den Teller zu bekommen, sollten die Jugendlichen ihr Essen selbst zusammenstellen können.

 

„Mindestens 100 Schüler müssen essen“

Bei den Caterern allerdings sind die Zweifel groß, ob die Erwartungen an das Essen an den Oberschulen tatsächlich umgesetzt werden können. Je aufwendiger das Angebot, desto mehr Esser würden benötigt, damit sich der Einsatz für den Caterer überhaupt noch lohnt. Mindestens 100 Essen müssten sie an jedem Unterrichtstag in einer Schule sicher verkaufen, sagt Rolf Hoppe vom Verband der Berliner und Brandenburger Schulcaterer. Wenn es auch Snacks geben soll, würden schon 100 Esser mehr gebraucht.

 

Wenig Verständnis haben die Caterer auch für die Anforderungen an die Zusammensetzung der Snacks, die auf Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zurückgehen: Höchstens 400 Kalorien darf ein Snack haben, maximal 30 Prozent Fett und 10 Prozent Zucker enthalten. Außerdem müssen beispielsweise 40 Gramm Gemüse oder Obst enthalten sein – und frittiert werden darf er nicht. Eine Portion Pommes frites als Mittagssnack soll es nicht geben. Stattdessen schlägt die DGE Linsenbratlinge mit Joghurt-Dip, Ciabatta mit Linsen-Nuss-Aufstrich oder Brokkoli-Tomaten-Dinkel-Quiche vor.

 

„Rechnung ohne den Wirt gemacht“

Klaus Kühn vom Caterer Drei Köche glaubt nicht, dass Linsenbratlinge zum Verkaufsschlager werden : „Wraps, belegte Brötchen, Obstsalat“, das komme gut an, besonders erfolgreich aber sei etwas, was mit den DGE-Richtlinien so gar nichts zu tun hat: „Schnitzelbrötchen“.

 

Sein Unternehmen werde sich deshalb an einer Ausschreibung nach den jetzt vorgelegten Regeln nicht beteiligen, versichert Kühn. Auch Rolf Hoppe vom Catererverband sagt, der Senat habe „im wahrsten Sinne des Wortes die Rechnung ohne den Wirt“ gemacht. „Wenn die Ausschreibungen laufen, sehen wir ja, wer sich da bewerben wird.“

 

Landeselternausschuss startet Umfrage

Neben den Kosten sei oft auch die Situation an der Schule ein Problem, sagt Doris Fortwengel. Teilweise fehlten beispielsweise geeignete Räume, an anderen Schulen gebe es nicht genügend Zeit zum Essen: Wenn die Schüler mittags nur eine halbe Stunde Zeit für den Mensabesuch haben, nutzen viele diese lieber für andere Dinge. Über die Länge der Mittagspause entscheiden die Schulen selbst – und oft wollen Schüler und Lehrer nicht, dass der Unterricht erst eine halbe Stunde später endet.

 

Der Landeselternausschuss will jetzt mit einer Umfrage klären, welche Essens-Angebote es derzeit für Oberschüler gibt. Elternvertreter sind aufgerufen, bis zum 7. März auf der Internetseite leaberlin.de Fragen zur Situation an der Schule zu beantworten.