Tagesspiegel vom 17.07.2007

 

 

Geschmackstraining. Neuntklässler kochen mit Karin Lampe.

FOTO: KITTY KLEIST-HEINRICH

 

An der Heinz-Brandt-Schule bringt die Unternehmerin Karin Lampe Jugendlichen beim Kochen Teamgeist bei.

 

 

Einmal in der Woche ist in der Schulküche der Heinz-Brandt-Oberschule in Weißensee verschärftes Töpfeklappern angesagt. Karin Lampe, 60, weißer Bob und dezenter Chic, gibt in der 9. Klasse ihren ehrenamtlichen Kochkurs. Mit Hauptschülern, die kaum verreisen, kocht sie sich durch wie Welt. Von Japan bis zur Karibik, nach dem Motto: Woanders schmeckt es auch.

„Heute ist Italien dran“, sagt Karin Lampe. Und wie sie da so adrett in gestärkter Schürze steht und noch schnell ein paar Blumen ins Wasser stellt, bietet sie den I-Pod-behängten Teenies aus weniger geordneten Elternhäusern das Idealbild mütterlich-zupackender Bürgerlichkeit.

 

 

„Aristokratische Art“ nennt Konrektorin Miriam Pech es sogar.

„Super, Italien, dann können wir ja Pizza bestellen“, frotzeln die Jungs. Nichts da, meint Karin Lampe, erinnert ans Händewaschen und Schürze-Umbinden und verteilt die von ihr vorbereiteten Rezepte: Penne mit Paprikapürree aus Apulien, überbackene Gnocchi nach Römer Art, Risotto mit Wurstbrät aus der Lombardei und und und. Ein paar Minuten später stehen alle an den Herden und machen sich an die Arbeit. Fragen und Rufe schwirren durch den Raum: Frau Lampe, wie geht das? Können Sie mal kommen?

 

Michelle, 15 und rosa Strähnen im Haar, und der blondierte James, 18, sind für das süß-saure Gemüse aus Sizilien zuständig. Ob bei ihnen zu Hause viel gekocht wird? Ja, sagt Michelle, donnerstags kochten sie im betreuten Wohnen immer mit dem Erzieher. „Man lernt sich beim Kochen neu kennen“, meint James, der schon ein Praktikum bei Tim Mälzer gemacht hat und Koch werden will. Und es sei interessant, zu sehen, wie die Leute unter Zeitdruck so reagierten. Der Sitzenbleiber ist neu auf der Heinz-Brandt- Schule, die sich sehr engagiert für die Jugendlichen, zum Beispiel durch Partnerschaften mit Unternehmen bei der Suche nach Lehrstellen hilft. James „fühlt sich hier so wohl wie noch nirgends zuvor“. Einen Herd weiter flachst Tom, 17, Basecap und I-Pod, am Kochtopf herum. Er fände es geil, was Praktisches zu lernen, sagt er. „Doof ist nur, dass wir immer so’n ausländisches Zeug kochen, das nicht schmeckt.“

Mit der Meinung steht er ziemlich allein da, zeigt eine Spontanumfrage. Das sah im Januar, als Karin Lampe mit dem Kochkurs begonnen hat, noch ganz anders aus. „Da waren die Kinder sehr reserviert, und ein paar verweigerten sich komplett“, erzählt sie. Und Direktorin Karla Werkentin ergänzt: „Iiih, watt is ditt denn?“, hätten sie bei ungewohnter Kost wie Auberginen oder Zucchini gerufen. Inzwischen habe sich das aber völlig geändert. „Die dachten, da kommt so ’ne weißhaarige Tante und geht auch schnell wieder“, meint Karin Lampe. Aber als sie merkten, dass sie’s mit ihrem Einsatz ernst meint, fassten sie Vertrauen. „Die Kinder sind oft verletzt und so empfindlich wie rohe Eier. Sie brauchen Verlässlichkeit und klare Ansagen.“

 

So ganz genau will Lampe nicht verraten, was sie vor ihrem Ruhestand gemacht hat. In München hatte sie eine PR-Agentur mit 22 Mitarbeitern. Und dann ist da noch diese Textildynastie in der Pfalz. Mit ihrem Mann, einem gebürtigen Berliner, lebt sie seit November in Prenzlauer Berg. Wie sie auf die Idee mit dem Kochkurs gekommen ist? Sie habe bei einem Zufallsbesuch in der umtriebigen Heinz-Brandt-Schule vor ein paar Jahren ein Schlüsselerlebnis gehabt, erzählt sie. „Es gab eine Fotoausstellung der Hauptschüler und jemand nannte die Kinder: Restschüler. „Schrecklich!“ Da habe sie beschlossen, was für sie zu tun. „Und Kochen trainiert Teamgeist, Disziplin, Feinmotorik und macht Spaß, weil’s leckeres Essen gibt.“ Den Einkauf zahlt sie selber, und inzwischen ist sogar schon ein Schülerkochbuch in Arbeit. Nach den Sommerferien ist die Parallelklasse dran. Direktorin Werkentin freut sich drüber: „Sie macht das aus tiefer Überzeugung, und die Schüler mögen sie.“

 

Sogar Tom, den Karin Lampe gerade an der zischenden Bratpfanne zur Rede stellt, weil er wieder seinen Knopf im Ohr hat, findet sie „nett“. Den I-Pod nimmt Lampe ihm trotzdem ab. Ihre Wangen glühen, flink läuft sie zwischen Töpfen, Pfannen und Anrichteplatten hin und her. Die Zeit drängt, nebenan ist schon der Tisch für 16 Kinder gedeckt. Auch wenn immer nur die eine Hälfte der Klasse kocht, gegessen wird gemeinsam.

 

„Zügig arbeiten, Kinder!“, mahnt Lampe, „wir schaffen das nicht“. Die Gnocchi müssen ja noch überbacken werden. „Doch, wir schaffen das“, tönt da eine Schülerin, „immer positiv denken, Frau Lampe!“ Und als die Klassenkameraden reinströmen und sich hinsetzen, ist das Buffet komplett – und die Küche blitzblank. Karin Lampe erklärt kurz die Speisen und wünscht guten Appetit. Und während die Schüler die Tafel stürmen, kommt sie noch mal schnell in die Küche. „Sind doch süß die Kids, oder?“, sagt sie, vor denen müsse niemand Angst haben. „Und jetzt könnte ich sterben für ’ne Zigarette“, seufzt sie.

 

Infos über die Heinz-Brandt-Schule unter www.heinz-brandt-schule.cidsnet.de